Zott, Hans-Jörg 1995: 1994 3-5

Erinnerung an das Banz-Treffen vom 22.10.1994. 

Mein erster Gedanke nach Erhalt der Einladung: Es gibt sie also noch, die Banzianer, und die Töchter fehlen noch in der Liste. Das Programm offenbarte, dass Ulze (Hans-Ulrich Schulze) und Wolfgang (Schultka) bereits als Referenten gewonnen waren.

Und mein zweiter Gedanke: Da steckt ja eine richtige Organisation dahinter, die Banzianer sind eine Macht, es lebe der Banzismus … oder sollte man doch lieber anders sagen?

Die kreuz und die quer tauchten mannigfaltigste Assoziationen und Erinnerungen aus der Tiefe des vergessen Geglaubten hervor und mischten und verstärkten sich mit der Vorfreude: Was mag aus allen so geworden sein? Wird man sich noch verstehen?

Es gab ja schon mehrere Banz-Treffen – aber das waren Konrads Geburtstage, und er war dabei. Ja, und sein Begräbnis … Dathes Rede … Habe ich andere Treffen vergessen oder nichts von ihnen gewusst?

Er war ja eine prägende Persönlichkeit – ein Mensch, auf den man zurückkommt (sagte mal Klaus Kloss), der durch seine bloße Existenz so heterogene Grüppchen und so unterschiedliche Charaktere zusammenhalten konnte.

Oft habe ich mich gefragt, welcher Art eigentlich seine besonderen Charakterzüge waren, und was es war, das uns als Kinder – und uns als Erwachsene erst recht – so stark zu ihm hinzog? Er war auf keinen Fall autoritär, aber er war für uns eine Autorität. Natürlich hatte er ein großes Wissen, aber war es das allein? Große Emotionalen hat er nie veranstaltet – Emotionen wurden zwischen uns meist sogar tunlichst vermieden oder versteckt. Umso wirkungsvoller waren seine kleinen Lobe und spärlichen Tadel … Überwiegend war es wohl seine Vorbildhaltung, die prägend wirkte: Wie geschickt er eine Maus griff, warum er etwas schilderte, was für Fragen er stellte, worüber er etwas wusste …

Dass nun doch ein richtiges Treffen zustande kam – ein erfreuliches Zeichen dafür, dass Konrad tatsächlich weiterlebt, in uns allen.

Natürlich kann ich nur subjektiv vom Treffen berichten – jeder der erfreulich vielen Teilnehmern wird andere Empfindungen und andere Eindrücke gehabt haben. Typisch ist natürlich das große Hallo beim Wiedersehen und beim teilweise nicht ganz leichten Wiedererkennen. Dieses fand in mehreren Generationen statt. Bei den vielen viel Jüngeren, die nun mehr bereits als gelehrte Frauen und Herren einherschreiten und den (mit mir) gleichaltrigen Graubärten muss man sich doch eingestehen, ganz schön älter geworden zu sein – man bekommt es auch gesagt, so unhöflich sind die Banzianer.

Viele (die meisten) kannte ich nicht mit Namen – einige auch nicht von Angesicht, muss ich mir eingestehen.


Den Organisatoren ist auf das herzlichste zu danken – dass sie überhaupt die Idee hatten, dass sie sich den Mühen unterzogen und dann auch, wie sie alles gestalteten!

Die Vorträge, der Rahmen überhaupt und das Treffen in den Räumen der ornithologischen Ausstellung – alles war wirklich gut und sorgsam überlegt.

Bei den Bildern von Ulze am Prierowsee fallen mir ganz verschiedenen Situationen ein: Um das Fasanengelege fotografieren zu können, mussten wir die Henne regelrecht herunterschubsen. Sie sauste dann die ganze Zeit wie ein Kreisel um uns herum. Heute würden wir die Natur nicht mehr für ein Foto traktieren. Für die Aufnahmen der jungen Weihen am Horst zogen wir die Kapuzen der Anoraks tief ins Gesicht, nachdem Floh (Lothar Jaschin) seine Baskenmütze losgeworden war im Austausch gegen eine kräftige Schramme an der Stirn. Die Betätigung der Kamera besorgte eine umgebaute Mausefalle mit 150m Sternchenzwirn. Nach jeder Aufnahme musste die Mausefalle unter Weihenangriffen wieder neu gespannt werden. Die Idee mit der Falle hatte damals Georg Radam (zuletzt Professor in der Charité; er starb 1991, soviel ich weiß).

Das Balzlied des Großen Brachvogels lag in der Luft – sehnsüchtig süß – gibt es etwas Schöneres?

Nach jeder Wochenendtour, ganztägig mit Gummistiefeln an den Füßen (die Geruchs-Engramme haften heute noch), und nachts auf dem Heuboden, hatte ich eine Angina – wie oft war das? Bis ich mir die Mandeln reißen ließ.

Die S-Bahn ging durch West-Berlin, mit Passkontrolle bei “Ein- und Ausreise“. Georg Radam stellte sich die Situation mit einer (hypothetisch) gefangenen Großtrappe auf dem Schoß vor, der er mit der Hand den Schnabel zuhält – und legte dann dem Passkontrolleur (argwöhnisch das Tier musternd): Haben sie einen Warenbegleitschein für die Gans? in den Mund…

Das Videoband mit den Tondokumenten der Banzstimme muss als Unikat mit Sicherheitskopie in den noch zu beschaffenden Tresor. Über die Videoaufnahmen von Feldschwirl, Blaukehlchen etc. hätte sich Konrad unbändig gefreut. Das heißt, er hätte lange Zeit erstmal gar nichts gesagt, hätte dann nach bedeutungsvollem Blick unter tief hängenden Oberlidern kurz lefzend eingeatmet und mit einem verlegenen Lachen (aus der Magengegend nahm er das wohl) gesagt: Is det nich schön?

Wofgang Schultka gehörte wohl zu denjenigen, die durch Konrad Banz am tiefgreifendsten beeinflusst wurden – bis hin zu großen Teilen der Lebensphilosophie. In seinen Dias kam genau die Banzsche Sicht zum Ausdruck: Die Schönheit der Natur im Detail? Bei den gezeigten Dias war zusätzlich immer noch ein Lächeln dabei. Auch bei diesen Bildern wieder mein erster Gedanke: Das hätte Konrad gefallen – wie hätte er sich als Gast bei Wolfgang auf den Shetlands an der Natur erfreut!
In den nachfolgenden gemütlichen Stunden war es wie vorhergesehen: Unterhaltung in Gruppen, Einzelgespräche, zwangsloses Debattieren – dazwischen belegte Brote (die immer nachwuchsen) und bei Laune Umschau in den Dioramen und Vitrinen. Dias waren zu sehen, und ein Gruppenfoto wurde gemacht (war auch ein Film in der Kamera).

Bei der Aktualisierung der Banzianerliste ging mir durch den Kopf, wie stolz Konrad Banz schon über die Nennung der Gründe für das Nichterscheinen einiger seiner Jünger hätte sein können: Expedition, Kongresse … in aller Welt (dem Besuch aus dem Westen als Grund vergessen wir lieber). Einige sind verschollen oder man weiß nur wage, wo sie stecken könnten. Einige sind tot: Lothar Jaschin verstarb erst im Juni 1994.

Das Treffen schwang noch lange nach und veranlasste mich, noch einmal alte Dinge auszukramen - beginnend bei der Expedition “Seewasser“ 1953.

Der Nachgeschmack war gut und wird immer besser.

Es wäre doch schön, wenn

das regelmäßig stattfinden könnte, vielleicht mit gemeinsamen Exkursionen,

wenn man eine Kopie vom Video bekommen könnte (inklusive Schwirl, wie teuer wäre das?)

wenn man Material von Konrad sammeln könnte (es muss ja nicht ausschließlich Wissenschaft sein)

Als Beitrag dazu lege ich die Schilderung einer Exkursion aus dem Jahre 1955 bei, die ich ihm später irgendwann einmal zum Geburtstag schenkte.

Wir denken an Konrad Banz,

wir kommen immer wieder auf ihn zurück!

Hans-Jörg Zott